Art. 60 URG: Kein Rütteln am Grundpfeiler des Gesetzes

Beim Art. 60 URG geht es um den Grundsatz «Pauschalabgeltung wie bisher oder effektive Nutzung?». Bei einer Einführung der effektiven Nutzung als zusätzliches Kriterium für die Tarifbemessung würde sich der Gehalt des URG grundlegend und nachteilig verändern. Zudem würde der Interessenausgleich zwischen Urhebern, Wirtschaft und Konsumenten zerstört und es müsste ein teures Kontrollsystem aufgezogen werden. Das bewährte Pauschalsystem dagegen ist einfach, günstig und fair.

Heute können die Konsumenten alle Werke für private Zwecke auf CD, DVD usw. kopieren, indem sie beim Kauf eines Leerträgers eine minimale Vergütung bezahlen. Dieses System hat allerdings den Nachteil, dass bei der Tarifbemessung auf die durchschnittliche Nutzung abgestellt wird: Einige bezahlen vielleicht etwas zu wenig, andere wiederum eher etwas zuviel. Lädt jemand vorwiegend private Photos auf die CD, bezahlt er eher zu viel. Wird der Leerträger hingegen vor allem mit Musik bespielt, kommt der Konsument vergleichsweise gut weg. Diese Unebenheiten gibt es bei allen Pauschallösungen, wie etwa bei der TV-Konzession oder dem SBB Generalabonnement.

Würde aber die individuelle Abrechnung (effektive Nutzung) eingeführt, müsste jeder
Einzelfall überprüft und abgerechnet sowie das Kopierverhalten der Konsumenten akribisch überwacht werden. Das zöge unweigerlich einen teuren Kontrollapparat und Eingriffe in die Privatsphäre nach sich. Das Parlament hat sich deshalb 1992 bei der Totalrevision des Urheberrechtsgesetzes für die pragmatische Pauschallösung entschieden. Diese hat sich bestens bewährt – in der Schweiz wie im Ausland.

Ob die Tarife für die Leerträger angemessen sind, entscheidet nicht irgend ein privates
Unternehmen, sondern die aus neutralen Richtern sowie aus je einem Nutzer- und Urhebervertreter zusammengesetzte Eidg. Schiedskommission. Ihr Entscheid kann im Streitfall sogar bis an das Bundesgericht weiter gezogen werden. Damit nicht übermarcht wird, gibt es zudem eine gesetzliche Obergrenze für die Vergütung: Maximal zehn Prozent der Erträge gehen an die Urheber und drei Prozent an die Interpretinnen. Schiedskommission und Bundesgericht haben zur Prüfung der Angemessenheit eines Tarifes vielfältige und sachgerechte Kriterien entwickelt. So berücksichtigt die Schiedskommission beispielsweise bei der Festlegung der Leerträgertarife, dass zunehmend Werke von legalen Online-Shops herunter geladen werden und bereits dafür bezahlt wurde. Je mehr individuell bezogen und abgegolten wird, desto tiefer wird in der Folge der von der Schiedskommission festgelegte Gesamttarif.

Das heutige einfache System verhindert, dass der Konsument geschröpft wird und garantiert den Kreativen eine faire Vergütung. Eine perfektionistische Individualabgeltung wäre wenig konsumentenfreundlich und hätte Eingriffe in die Privatsphäre zur Folge. Eine Alternative zur liberalen Pauschalabgeltung, welche gleichzeitig die Privatkopie zulässt, ist nicht in Sicht. Von Digital Rights Management Systemen (DRM) rücken die grossen Unterhaltungskonzerne bereits wieder ab. Man sollte nicht ein bewährtes System aufgeben, bevor sich eine taugliche Alternative anbietet. Trotz kleinerer, systembedingter Unebenheiten sollte das bisherige System
zusammen mit Art. 60 URG unverändert beibehalten werden.

 

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