Soziale Sicherheit von Kulturschaffenden in der Schweiz

Studie von Hans-Jakob Mosimann, Fabio Manfrin im Auftrag von Suisseculture Sociale (Oktober 2007)

Verbesserung der sozialen Sicherheit für Kulturschaffende!

Seit Jahrzehnten weisen die Kunstverbände darauf hin: Die meisten Kunstschaffenden, die hierzulandemehrheitlich von ihrer künstlerischen Tätigkeit leben, erzielen wenig Einkommen, haben eine schlechte
Altersvorsorge und fallen immer wieder durch das Sozial- und Fürsorgenetz. Besonders problematisch istdabei die Situation der Bildenden Künstler, der Autorinnen und Komponisten, da sie ihre Kunst zumeist als selbständig Erwerbende ausüben und dabei nur sehr geringe Einkommen erzielen.

Selbständig erwerbende Kunstschaffende werden auch im Sozialversicherungssystem der Schweiz benachteiligt, da dieses System vor allem auf unselbständig Erwerbende abstellt und diese gegen zahlreiche Risiken obligatorisch versichert. Hingegen müssen selbständig Erwerbende weitgehend selber für eine ausreichende Absicherung sorgen und diese auch selber bezahlen. Doch das System der Sozialversicherungen ist auch für
unselbständig Erwerbende häufig unzureichend, vor allem bei so genannten Freischaffenden, Personen also, die in verschiedenen, zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen sowie bei verschiedenen Arbeitgebern tätig sind.

Die Kulturorganisationen haben darauf gehofft, dass im Kulturförderungsgesetz griffige Formulierungen vorgeschlagen werden, mit denen die Grundlagen für die Verbesserung der sozialen Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern gelegt werden. Obwohl sogar das Bundesamt für Kultur in einer eigenen Studie 2007 zum Schluss kommt, dass die sozialversicherungsrechtliche Situation nicht zufrieden stellend ist, finden sich
im neuen Kulturförderungsgesetz leider keine Vorschläge, wie die Situation verbessert werden könnte.

Aus diesem Grund haben Suisseculture Sociale und die Kulturverbände 2007 eine eigene Studie in Auftrage gegeben, die sehr deutlich zeigt, wo Handlungsbedarf besteht und was im Rahmen der bestehenden Grundlagen zur Verbesserung konkret unternommen werden kann.

Zusammenfassung deutsch

In der AHV werden sowohl auf unselbständig als auch auf selbständig erzielten Einkommen – und von Nichterwerbstätigen – Beiträge erhoben. Die Leistungshöhe – nach oben begrenzt – ergibt sich aus dem langjährigen Durchschnitt der erzielen Einkommen (bzw. der bezahlten Beiträge). Nachteilig ist, wenn auf vermeintlichen Nebenerwerben keine Beiträge bezahlt werden bzw. auf Zuwendungen, die nicht als Einkommen gelten, bezahlt werden können.

Betreffend Unterstellung und Beitragspflicht unterscheidet sich die IV nicht von der AHV. Ein tiefes aktuelles Einkommen wirkt sich hingegen bei der Invaliditätsbemessung für die versicherte Person nachteilig auf den Invaliditätsgrad aus. Zudem kann sich die Frage stellen, ob der versicherten Person im Sinne der Schadenminderungspflicht
die Aufgabe des Kulturschaffens zugunsten einer anderen Tätigkeit zumutbar sei.
In der BV können zu kurze Beschäftigungszeiten ebenso wie zu tiefe Einkommen zur Folge haben, dass Kulturschaffende nicht der obligatorischen BV unterstellt sind. Selbständig Erwerbstätige werden vom Versicherungsobligatorium gar nicht erfasst, während der finanzielle Spielraum für die private Vorsorge selten vorhanden sein dürfte. Für Leistungen bei Invalidität und Todesfall wird vom aktuellen (unter Umständen nur geringen) Einkommen ausgegangen.

Der UV obligatorisch unterstellt sind ebenfalls nur Arbeitnehmende. Nichtberufsunfälle sind nur bei einem Pensum von mindestens acht Wochenstunden versichert. Die Leistungen – insbesondere der Lohnersatz während der gesamten Heilungsphase – richten sich nach dem versicherten und zuletzt erzielten Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit; Ausfälle bei anderen Tätigkeiten sind nicht versichert.

Die genannten Faktoren führen in der ALV unter Umständen dazu, dass die vorgeschriebene Beitragszeit nicht erreicht wird oder der versicherte Verdienst tief ausfällt. Ebenso kann das Erfordernis der Vermittlungsfähigkeit ein Problem darstellen.
All dies führt dazu, dass viele Kulturschaffende von der Sozialversicherung nicht erfasst werden, entweder weil ihre Entschädigung nicht als beitragspflichtiges Einkommen betrachtet wird oder weil sie die Eintrittsschwellen (Vertragsdauer, Mindestverdienst) nicht erreichen. Dies führt zu einer oft ungenügenden sozialen Absicherung, vor allem im Alter.

Wenig bedeutend ist die Frage, in welchem vertragsrechtlichen Kontext – Arbeitsvertrag, Auftrag, Werkvertrag, Schenkungsvertrag – Kulturschaffende Einkommen erzielen. Die sozialversicherungsrechtliche Einordnung einer Tätigkeit erfolgt nämlich unabhängig von der vertragsrechtlichen Qualifizierung des Rechtsverhältnisses und kann unter Umständen davon abweichen. Die vertragsrechtliche Einordnung der Tätigkeit von Kulturschaffenden hat im Einzelfall aufgrund der konkreten Umstände zu erfolgen.

    * Erfassung von Werkbeiträgen, Förderpreisen und ähnlichen finanziellen Leistungen an Kulturschaffende als beitragspflichtiges Erwerbseinkommen;
    * Qualifizierung von Werkbeiträgen, Förderpreisen und ähnlichen finanziellen Leistungen an Kulturschaffendeals Befreiungsgrund für das Erfüllen der Beitragszeit in der Arbeitslosenversicherung;
    * konsequente Erfassung beitragspflichtiger Einkommen statt Umgehung der Beitragspflicht unter dem Titel„Nebeneinkommen“ (Aufklärung sowie konsequente Handhabung durch AHV-Ausgleichskassen);
    * Unterstützung einer branchenspezifischen Pensionskasse im Kulturbereich;
    * Ausrichten von Subventionen nur unter „Fairplay-Bedingung“.
 

Studie soziale Sicherheit 2007 (pdf)

 

 

 

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