Stellungnahme zum Paket «Stabilisierung und Weiterentwicklung der Beziehungen Schweiz–EU»

Ja zu den Bilateralen III, aber mit Creative Europe!

Suisseculture, der Dachverband der Organisationen der professionellen Kulturschaffenden und der Verwertungsgesellschaften der Schweiz, begrüsst das vom Bundesrat ausgehandelte Paket zur Stabilisierung und Weiterentwicklung der Beziehungen Schweiz–EU. Dieses Paket stabilisiert den bewährten bilateralen Weg und ermöglicht der Schweiz eine massgeschneiderte, sektorielle Beteiligung am EU-Binnenmarkt sowie Kooperationen in ausgewählten Bereichen. In einer zunehmend instabilen Weltlage sind verlässliche Beziehungen mit unseren Nachbarstaaten von grosser strategischer Bedeutung. Der bilaterale Ansatz wahrt die wesentlichen Interessen der Schweiz und erhält ihren politischen Handlungsspielraum weitgehend.

Aus Sicht von Suisseculture ist besonders wichtig, dass das Paket neben institutionellen Fragen und wirtschaftlichen Interessen auch Bildung, Forschung und weitere Kooperationsthemen umfasst. So enthält es unter anderem neue Kooperationsabkommen in den Bereichen Forschung und Bildung sowie die Verstetigung des Schweizer Kohäsionsbeitrags. Weiter soll gezielt der Ausbau auf neue Bereiche wie Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit erfolgen. Dass auch ein hochrangiger politischer Dialog und eine institutionalisierte parlamentarische Zusammenarbeit mit der EU vereinbart wurden, zeigt die Absicht für einen ganzheitlichen Ansatz dieses Pakets.

Völlig unverständlich ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass das Kooperationsthema Kultur nicht im Paket enthalten ist.

Suisseculture unterstützt dennoch das Gesamtpaket als wichtigen Schritt, um die kontinuierliche Teilnahme der Schweiz an europäischen Programmen sicherzustellen und die bilateralen Verträge zukunftsfähig zu machen. Insbesondere die Wiedereinbindung der Schweiz in EU-Programme, etwa in Forschung mit Horizon Europe und Bildung mit Erasmus+, ist im Interesse unseres Landes, da die Schweiz als offene Volkswirtschaft und Wissensnation auf den internationalen Austausch angewiesen ist. Der Bundesrat selbst betont, dass ein Nicht-Beitritt zu solchen Programmen die Stellung der Schweiz als führende Bildungs- und Wissenschaftsnation gefährden würde. Es ist daher von grosser Bedeutung, dass die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen wurden.

Kultur als strategische Ressource in den Beziehungen Schweiz–EU

Trotz der primär wirtschafts- und forschungspolitischen Tragweite des Pakets möchte Suisseculture die zentrale Bedeutung der Kultur für die Schweiz–EU-Beziehungen hervorheben. Kultur ist kein Luxus, sondern eine strategische Notwendigkeit für die Schweiz. Sie trägt wesentlich zur gesellschaftlichen Resilienz, zum Wohlstand und zur Sicherheit unseres Landes bei. In Zeiten wachsender geopolitischer Unsicherheiten – geprägt durch hybride Bedrohungen, Desinformation und Polarisierung – stärken Investitionen in Kultur die demokratische Stabilität und den sozialen Zusammenhalt der Schweiz. Eine kulturell gebildete und engagierte Bevölkerung ist ein zentraler Faktor zur Stärkung demokratischer Resilienz und vermindert die Anfälligkeit für Manipulation und Extremismus. Kultur ist damit systemrelevant und leistet einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Stabilität und Friedensfähigkeit unseres Landes.

Auch im Verhältnis zur EU kommt der Kultur eine verbindende Rolle zu. Die Schweiz ist geografisch, kulturell, sprachlich und ideell ein zutiefst europäisches Land. Kultureller Austausch, Begegnung und Dialog über Grenzen hinweg sind Kennzeichen einer lebendigen europäischen Gemeinschaft. Der Bundesrat hat in der Kulturbotschaft 2025–2028 festgehalten: «Kultur ist von Natur aus grenzüberschreitend: Austausch, Begegnung und Dialog enden nicht an Landesgrenzen». Daher ist es unerlässlich, kulturpolitische Anliegen im Zuge der neuen Abkommen angemessen zu berücksichtigen. Genauso wie wirtschaftliche und wissenschaftliche Kooperationen die Verbindung zur EU stärken, tun dies kulturelle Kooperationen – sie fördern das gegenseitige Verständnis und schaffen Vertrauen zwischen den Gesellschaften.

Zahlreiche Studien belegen den positiven gesellschaftlichen Effekt kultureller Teilhabe. So zeigt eine umfassende Studie der Europäischen Kommission, dass Menschen, die aktiv an kulturellen Veranstaltungen teilnehmen, signifikant häufiger demokratisch mitbestimmen (etwa an Wahlen teilnehmen) und zugleich ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl, mehr Empathie, Vertrauen sowie höhere interkulturelle Kompetenz entwickeln. Kulturelle Vielfalt und Austausch sind also nicht nur Werte an sich, sondern stärken auch die Demokratie und den gesellschaftlichen Frieden in Europa. Dies sollte bei der Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen nicht ausser Acht gelassen werden.

Chancen des Pakets für den Kulturbereich

Suisseculture sieht in dem Paket Schweiz–EU grosse Chancen für den Kulturbereich, sofern die entsprechenden Massnahmen konsequent umgesetzt werden. Besonders hervorzuheben sind folgende Aspekte:

Wiederanbindung an europäische Förderprogramme

Das Paket schafft die Grundlage für ein Abkommen über die Teilnahme der Schweiz an EU-Programmen. Damit erhält die Schweiz Zugang zu wichtigen Initiativen wie Horizon Europe, Euratom, Digital Europe, Erasmus+ und dem Gesundheitsprogramm EU4Health. Diese Programme stärken den Austausch mit anderen europäischen Ländern und ermöglichen den Aufbau von Netzwerken. Gerade für den Kulturbereich sind europäische Netzwerke und Kooperationsprojekte essenziell. Beispielsweise erleichtert die geplante Assoziierung an Erasmus+ die internationale Mobilität von Studierenden und Kulturschaffenden. Jedes Jahr profitieren Tausende Schweizer Lernende und Studierende von Mobilitätsprogrammen – künftig können sie wieder vollwertig am europäischen Austausch teilnehmen. Dies fördert nicht nur Sprachkenntnisse und interkulturelle Kompetenzen, sondern schafft auch kreative Impulse und persönliche Beziehungen, die für die Kulturproduktion im In- und Ausland wertvoll sind.

Beitritt zu Creative Europe jetzt lancieren

Völlig unverständlich ist, dass die Schweiz das Programm «Creative Europe» im aktuellen Verhandlungspaket zur Stabilisierung und Weiterentwicklung der Beziehungen Schweiz–EU nicht berücksichtigt hat, obwohl die EU ausdrücklich bereit ist, eine Beteiligung der Schweiz zu ermöglichen. Die offizielle Schweiz verzögert mit diesem Vorgehen die Teilnahme an Creative Europe auf unabsehbare Zeit. Dies ist ein vernichtendes Signal gegen den Kulturbereich. Diese Situation erstaunt umso mehr, da der Bundesrat bereits seit 2012 in jeder Kulturbotschaft auf die Bedeutung des europäischen Programms «Creative Europe» für das Schweizer Kulturschaffen hinweist und den Willen betont, (wieder) vollumfänglich daran teilnehmen zu wollen.

Nur eine uneingeschränkte Teilnahme an «Creative Europe» bzw. ab 2028 AgoraEU kann die Diskriminierung der Schweizer Kulturschaffenden auf europäischer Ebene beenden. Dies vor allem im Hinblick darauf, dass es für den Bereich KULTUR, im Gegensatz zum Bereich MEDIA, nie finanzielle Ersatzmassnahmen gab, welche die Diskriminierung zumindest teilweise ausgeglichen hätten. Umso drängender ist ein Beitritt zu «Creative Europe» für den Bereich KULTUR.

Es ist wichtig festzuhalten, dass die Mitwirkung in den Arbeitsbereichen «KULTUR» und «MEDIA», sowie dem «SEKTORÜBERGREIFENDEN» Arbeitsbereich von «Creative Europe» nicht zwingend gemeinsam erfolgen muss. Das bedeutet, dass die Schweiz bereits jetzt am Arbeitsbereich «KULTUR» teilnehmen kann, ohne zuvor ihre nationale Gesetzgebung an die EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD) anpassen zu müssen.

Das Programm «Creative Europe 2021–2027» wird von der EU mit einem Gesamtbudget von 2.44 Milliarden Euro veranschlagt. Die Hauptziele sind gemäss EU folgende:

  1. Wahrung, Entwicklung und Förderung der europäischen kulturellen und sprachlichen Vielfalt und des europäischen Kultur- und Spracherbes;
  2. Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und des wirtschaftlichen Potenzials des Kultur- und Kreativsektors, insbesondere des audiovisuellen Sektors.

Die Initiierung von eigenen internationalen Projekten, die von «Creative Europe» unterstützt werden, ist für Schweizer*innen seit 2014 ganz ausgeschlossen. Zudem können Schweizer Kulturschaffende, Kulturinstitutionen oder Kulturorganisationen erst seit vergangenem Jahr wieder an Programmen oder Wettbewerben teilnehmen, die von «Creative Europe» (mit)finanziert sind. Dies häufig nur, wenn sie die dafür notwendigen finanziellen Mittel vollständig selbst aufbringen. Bei einem Förderetat für «Creative Europe» von 2.44 Milliarden Euro für die Legislatur 2021 bis 2027 entgehen der Schweizer Kultur somit auch wichtige Fördermittel für multilaterale Projekte, Kooperationen, Programme und Weiterbildungen.

Für die Kultur sind der europäische Austausch und die multilaterale Zusammenarbeit lebenswichtig, sowohl für Innovation und Entwicklung wie auch in ökonomischer Hinsicht. Zwar leistet die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia im Bereich des internationalen Kulturaustauschs wichtige Arbeit und die zeitlich befristeten Kompensationsmassnahmen im audiovisuellen Bereich bringen durchaus gewisse Verbesserungen. Doch das reicht nicht aus. Soll die Schweizer Kultur auf dem europäischen Kunst- und Audiovisionsmarkt weiterhin bestehen, muss jetzt gehandelt werden! Ansonsten ist auch der wirtschaftliche Schaden beträchtlich und zu einem guten Teil irreversibel.

Deshalb fordert die Suisseculture den überfälligen (Wieder-)beitritt der Schweiz auch zum europäischen Kulturprogramm «Creative Europe», neben «Erasmus+» und «Horizon». Für den Schweizer Kulturbereich ist die Teilnahme an allen drei Programmen essentiell, denn diese bauen aufeinander auf und ergänzen sich gegenseitig!

Wir appellieren daher eindringlich an Sie, parallel zu den Bilateralen III, die Verhandlungen umgehend zu starten, um in einem ersten Schritt die Teilnahme der Schweiz am Arbeitsbereich «KULTUR» des Programms «Creative Europe» zu gewährleisten. Die Europäische Union ist bereit, die Verhandlungen jederzeit aufzunehmen.

Kulturelle Vielfalt und staatliche Unterstützungsinstrumente sichern

Durch die Aufnahme von EU-Beihilfebestimmungen in einige Abkommen entsteht die Notwendigkeit, die Spielräume für staatliche Kulturförderung zu wahren. Glücklicherweise kennt das EU-Recht selbst Ausnahmen zugunsten der Kulturförderung: Beihilfen, die der Förderung von Kultur oder der Erhaltung des kulturellen Erbes dienen, gelten als gerechtfertigt, sofern sie den Handel bzw. Wettbewerb nicht übermässig verzerren. Diese in Artikel 107 Abs. 3 lit. d AEUV verankerte Kultur-Ausnahme muss im Zuge der Umsetzung in nationales Recht vollständig gewährleistet werden.

Suisseculture fordert, dass Bundesrat und Parlament bei der Anpassung des Beihilferechts alle Möglichkeiten zur Förderung der kulturellen Vielfalt nutzen. So ist sicherzustellen, dass bewährte Förderinstrumente – von Filmförderungsbeiträgen über Musikexport-Programme bis zu Kulturpreisvergaben – weiterhin möglich sind und nicht unter einen generellen Wettbewerbsvorbehalt fallen. Die kulturelle Eigenständigkeit der Schweiz, etwa im Bereich des Filmwesens (Quota-Regelungen, Unterstützung einheimischer Produktionen), darf durch neue Vereinbarungen mit der EU nicht beschnitten werden. Vielmehr sollte die Schweiz die im EU-Recht vorhandenen Flexibilitäten proaktiv nutzen, um eine starke Position der Kultur innerhalb des Binnenmarktes zu sichern.

Mobilität und kulturellen Austausch erleichtern

Die Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU, welche im Paket institutionell abgesichert werden soll, bildet schon heute das Fundament für den grenzüberschreitenden Kulturaustausch. Tausende Kulturschaffende reisen jährlich zwischen der Schweiz und EU-Ländern, sei es für Tourneen, Festivals, Ausstellungen oder Gastspiele. Suisseculture begrüsst, dass im Paket eine Schutzklausel verankert ist, welche künftige Verschlechterungen bei der Personenfreizügigkeit verhindert – dies kommt auch dem Kulturbereich zugute.

Wichtig ist zudem die geplante Teilnahme an Erasmus+, die nicht nur Studierenden, sondern beispielsweise auch jungen Berufsleuten in der Kultur- und Kreativbranche neue Möglichkeiten für Austausch und Weiterbildung in Europa eröffnet. Bereits in den letzten Jahren hat der Bund über Movetia und andere Programme Mobilitätsmöglichkeiten erhalten, um den Ausschluss von Erasmus+ zu kompensieren. Diese Ersatzmassnahmen müssen nahtlos in die Erasmus-Assoziierung überführt werden, sodass keine Lücke für Auslandsaufenthalte und Bildungskooperationen entsteht. Kulturelle Bildung und internationale Verständigung profitieren enorm von solchen Mobilitätsprogrammen – sie fördern kreatives Denken, Sprachkenntnisse und gegenseitiges Verständnis, was schliesslich auch der Kultur und Wirtschaft in der Schweiz wieder zugute kommt.

Institutioneller Kulturdialog

Abschliessend regt Suisseculture an, im Zuge der vertieften Beziehungen einen institutionalisierten Dialog zur Kultur zwischen der Schweiz und der EU aufzubauen. Bislang sind in der gemeinsamen Erklärung regelmässige politische Dialoge etwa zu Forschung, Strom und Gesundheit vorgesehen. Ebenso sollte die Kulturpolitik als Thema in den Austausch aufgenommen werden. Denkbar wären z. B. jährliche Kulturforen oder Arbeitsgruppen, in denen sich Vertreter*innen beider Seiten über Fragen der kulturellen Zusammenarbeit austauschen. Dies würde dem Umstand Rechnung tragen, dass die EU – neben UNO und Europarat – ein zentraler Partner für die internationale Kulturpolitik der Schweiz ist. Die Integration kulturpolitischer Anliegen in andere Politikbereiche ist ein erklärtes Ziel der Schweizer Kulturpolitik.

Ein regelmässiger Austausch über kulturelle Belange (z. B. Urheberrechte, Kulturgütertransfer, Kreativwirtschaft) würde Missverständnissen vorbeugen und Synergien schaffen, zum Nutzen sowohl der Schweizer Kulturschaffenden als auch unserer europäischen Partner.

Fazit

Suisseculture spricht sich klar für eine Annahme des Pakets Schweiz–EU aus. Es bietet die Chance, die seit Jahrzehnten erfolgreiche europäische Zusammenarbeit der Schweiz auf eine neue, zukunftsfähige Basis zu stellen. Neben wirtschaftlicher Stabilität und technischer Kooperation muss dabei jedoch auch der Kulturdimension der Beziehungen hohe Beachtung geschenkt werden. Die Schweiz ist Teil des europäischen Kulturraums – ihre kulturelle Vielfalt und Kreativität sind Bestandteil der gemeinsamen Identität Europas. Ein stabiles Verhältnis zur EU, das nicht nur ökonomisch, sondern auch kulturell gedeiht, liegt im übergeordneten Interesse unserer ganzen Gesellschaft.

Zusammenfassend unterstützt Suisseculture den Bundesrat in seinem Bestreben, die bilateralen Beziehungen weiterzuentwickeln, verlangt jedoch die umgehende Aufnahme paralleler Verhandlungen mit der EU, welche die Bedürfnisse des Bereichs ernst nehmen. Konkret fordern wir Garantien, dass die Teilhabe der Schweiz an EU-Kulturprogrammen spätestens ab der nächsten Programmperiode sichergestellt ist, dass kulturelle Förderungen weiterhin im bisherigen Umfang möglich bleiben und dass der kulturelle Austausch mit Europa als politisches Anliegen verankert wird. Nur so kann gewährleistet werden, dass der Bereich Kultur im neuen Kapitel der Beziehungen Schweiz–EU eine starke Position einnimmt – im Interesse der kulturellen Vielfalt, der Kreativwirtschaft und aller Bewohner*innen unseres Landes.

Suisseculture dankt für die Berücksichtigung dieser Anliegen im weiteren Prozess und steht für einen vertieften Dialog gerne zur Verfügung.

 

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